Zu Daniel Brauns künstlerischen Fotografien.
Die Haare lodernd in Feuer, über dem rechten Auge ein Schleier aus Eis und Schmelzwasser schaut Daniel Tobias Braun in klassischer Porträtpose aus dem Bild – versunken, ernst vielleicht, doch offenbar unberührt vom aktuellen Ereignis. Das fotografische Selbstporträt Firehead/No.1 (2002) vermittelt einen ersten Einblick in Daniel Brauns Oeuvre. Feuer, genauer der Antagonismus von Feuer und Eis spielte vor allem in den frühen Arbeiten eine zentrale Rolle. Der Handlungsort befindet sich vor der Kamera, es wird dokumentiert. Auf einem der Bilder, dem Selbstporträt vergleichbar, wird ein Eisblock durch die aufgesetzte und entzündete Stahlwolle zum Schmelzen gebracht. Die Fotografien sind geprägt durch die ästhetische Spannung im Konflikts der Elemente. Wieder eine andere Arbeit hält das Schmelzen bzw. Detoniereinn er Stange Eis fest, in die eine Zündschnur gefädelt wurde.Ein klares Konzept, das vom bildlichen Endprodukt her gedacht den Betrachter zu irritieren sucht. Die Schlichtheit der Umsetzung verweist auf die aufwendigen konzeptionellen Vorarbeiten. Der performative Prozess der Zerstörung folgt nicht allein einem mehr oder minder experimentellen Selbstzweck, sondern antizipiert eine paradoxale ästhetische Wirkung.Ein zentrales Motiv in Daniel Brauns Fotoarbeiten stellt das experimentelle Ausloten der medialen Grenzen und Bedingungen der analogen Fotografie dar. Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert die Serie der Raketogramme (2003-04). Hier nun wandert der eigentliche Handlungsort vom Raum vor der Kamera direkt auf den eigentlichen Bildträger. Geschickt werden Feuerwerkskörper auf dem Fotopapier installiert, deren Abbrennen als interner Belichtungsmechanismus fungiert. Das Amalgamieren der Werkstoffe auf der Bildoberfläche und diese Bildpraxis werden programmatisch begrifflich im Titel der Serie gefasst, indem der Objektbegriff der Rakete mit der Technik des Photogramms verbunden werden. Der Titel fungiert als Handlungsanweisung.Führt beim Photogramm allerdings die unmittelbare Belichtung des Fotopapiers dazu, dass Objekte durch ihren Schattenwurf abgebildet werden, ist den Feuerwerkskörpern eine eigene Leuchtkraft inhärent. Sie müssten also dunkle Spuren erzeugt erzeugen. Doch diese Stringenz wird durchkreuzt von der Wärmeentwicklung und den chemischen Folgereaktionen. Verschmolzene, rußbehaftete Brandspuren, changierende Farbeffekte und reliefartig aufgeworfene Bläschen charakterisieren die Oberfläche.Braun invertiert dabei nicht nur die Funktionsweise herkömmlicher Photogramme, sondern kreiert insgesamt eine neuartige Bildform. Indexikalisch schreiben sich Brandspuren in die Bildoberfläche ein, ohne dass diese, wie etwa in Otto Pienes Rauchbildern, durch feuerfeste Lacke geschützt würde. Das Variieren der Feuerwerkskörper und Fotopapiere führt zur Modulation bestimmter Bildeffekte, die vor allem in der Serie erkennbar werden, Dabei sind die verwendeten Feuerwerkskörper weitgehend unkenntlich.Dies macht den diskursiven Reiz der Arbeiten aus. Obgleich es sich um analoge Fotografien handelt, bilden die Bilder nicht im herkömmlichen Sinne ab. Die konkrete Bildursache bleibt verschleiert, löst sich auf. Und dennoch, im Unterschied zur auto-destruktive art eines Gustav Metzger etwa, legt Braun Wert auf ein materielles Endprodukt. Ein kalkuliertes Ereignis wird inszeniert, um ein fotografisches Werk zu erhalten. Es ist nicht mehr erkennbar, was exakt der Fall gewesen ist. Vielmehr entbehren die Raketogramme jenen mitunter autonomisierten Authentizitätscharakter, der seit ihren Anfängen der Fotografie unterstellt wird – das Barthes’sche Punktum.Prinzipiell verknüpfen die Raketogramme zwei zentrale Stränge in Daniel Brauns Werk. Zum einen jene morbide Ästhetik der Destruktion, wie sie auf sarkastische Weise in der Fotoserie der Burstogramme zum Ausdruck kommt. Hier lässt Braun Gartenblumen detonieren, zerbersten, wodurch ein neuer Bildeindruck entstehe. Während Crambling (2003) eigenständig inszenierte, wurde bei der Serie BangBang (2004) das Procedere interaktiv geöffnet: der Besucher konnte eine bestimmte Handynummer anrufen und so die floralen Sprengsätze zünden.Bezeichnender Weise hieß die Diplomausstellung im Badischen Kunstverein in Karlsruhe dann auch Blight (2004). Entgegen der tatsächlichen Bedeutung des englischen Wortes blight überhört man als Fremdsprachler leicht den morbiden Charakter des Wortes. Eine etymologisch falsche Zerlegung des Worte zu b-light suggeriert dann allzu leicht Licht, also jenes fototechnisch notwendige Element, das Braun im zweiten, inhaltlich relevanten Werkblock systematisch untersucht. Im angeführten Zusammenhang war Blight allerdings durchaus wörtlich gemeint. Braun inszenierte gezielt und auf performative Art und Weise das Destruktive als ästhetisches Faszinosum.Anders verhält es sich in dem Bilderzyklus der open fields (2004). Er lässt Brauns strukturales Bilddenken transparent werden. Die Suggestion des Waldbrandes weicht bei genauerer Betrachtung der Irritation. Insgesamt strahlen die Arbeiten eine merkwürdige, fast surreale Ambivalenz aus. Rot oder weiß diffundierende Lichtspuren beleuchten eine Waldlandschaft von Innen heraus. Die Lichtschlieren schweben ohne einen ersichtlichen materiellen Grund über dem Boden – völlig atypisch für reales Feuer. Dieses Licht lenkt die Aufmerksamkeit ins Zentrum des Bildes. Mit dem Mittelgrund rivalisiert der Vordergrund aufgrund der optischen Bildschärfe und da silhouettenhaft einzelne Bäume ins Bild ragen. Offensichtlich menschenleer wirkt die Landschaft irgendwie bevölkert.Ausgestattet mit SOS Signalfackeln durchstreift Braun in dieser Serie zumeist nachts bestimmte Waldstücke. Diese Aktionen werden fotografisch festgehalten, genauer: Braun inszeniert diese Privatperformances, um eine ganz bestimmte Bildwirkung zu erzeugen. Den ästhetischen Dreh- und Angelpunkt stellt die Belichtungszeit dar, die exakt auf die zurückzulegende Wegstecke abgestimmt wird. Um das Bild nicht über zu belichten, verbirgt Braun die Leuchten hinter einem Mantel, der zugleich den eigenen Körper aus dem Bild eliminiert. Die unwirkliche Wirkung der Arbeiten lädt zum Verweilen ein. Die Tiefendimension referenzialisiert zugleich auch zeitliche Tiefe, Dauerhaftigkeit, die Öffnung der Linse erinnernd. Ebenfalls poetisch wirkt eine jüngere Bilderserie, die den menschlichen Körper ästhetisch ins Zentrum rückt. Formal betrachtet, was Motiv und Dauer der Belichtung – im Sinne der Bergson’schen durée – anbelangt, sind weder die Drawings noch die Embryos mit den Open Fields vergleichbar. Dennoch weisen beide Parallelen auf, vor allem, was die opto-technische Komposition und die Haltung der Fotografie als photo graphain, als Lichtmalerei anbelangt.Erneut indiziert der Titel Aspekte des Herstellungsprozesses. Malerisch strukturieren Spuren von Licht die Drawings und modellieren Körper, ohne jedoch diese im herkömmlichen Sinne abzubilden. Verdeckt von dem Lichtschein der Neonröhre, die den Körper in schnellen Bewegungen geradezu abtaste, wird die Nacktheit der Körper gleichsam von einen durchlässigen Lichtmantel verdeckt. Die Abstraktheit der Abbildung eröffnet eine unmittelbare Distanz zum eigentlichen Sujet, die mitunter durch einen Eyecatcher durchbrochen, etwa wenn das Gesicht der ruhig posierenden Standfigur soviel Streulicht absorbiert, dass ein Auge erkennbar wird. Dann wird der Betrachter direkt adressiert und die ästhetische Spannung zwischen absoluter Nähe und Distanz kulminiert.Invertiert wird das Verhältnis von Licht und Schatten, Außen und Innen bei den Embryo-Arbeiten. Hier umhüllen ein oder mehrere nackte Körper die Neonleuchten und wirken dadurch von Innen heraus illuminiert. Fotografisch festgehalten, zeichnen sich erst allmählich die Kontur, Position und die Embryohaltung der dargestellten Körper ab. Sie gehen fast völlig gehen im Dunkel der Umgebung auf, was die Objekthaftigkeit betont. Hier bestimmt das Kippen zwischen Identifikation und Verkennen die bildinhärente Dynamik. Während der distanzierte Blick grobe Umrisse erkennen lässt, die ein Zugehen auf das Bild motivieren und ein detailierteres Erkennen unter Nahsicht suggerieren, löst sich der kompositorische Gesamtkomposition bei geringen Distanzen auf und lässt die Körper in Teilausschnitte zerfallen.Der Betrachter wird so in ein raffiniertes Spiel aus Licht und Schatten, Aufklären und Verdeckten, Anziehung und Distanzierung verwickelt, das gerade im Medium der Fotografie unschwer mit dem Benjaminschen Aurabegiff assoziiert werden kann: eine „Erscheinung einer Ferne, so nah das sein mag“. Während prominente malerische Lösungen hierzu beispielsweise im Werk Gerhard Richters gefunden werden können, besteht der besondere Reiz der Arbeiten von Daniel Braun gerade darin, das seit der Erfindung der Fotografie irritierte Verhältnis von Abbildhaftigkeit und Repräsentation erneut im Medium der Fotografie künstlerisch zur Disposition zu stellen.
(Tabea Lurk M.A. 2004)